Redlichkeit und ein zivilisierter Umgang

Dieser Block soll redlichen Menschen ein Forum geben, die sich zivilisiert mit anderen Meinungen oder unterschiedlichen Blickwinkeln auf ein Problem auseinandersetzen wollen.

In dem Artikel „Politiker-Beleidigung: Bedroht oder schützt § 188 StGB die Demokratie?“ habe ich mich mit den gesetzlichen Schranken beschäftigt, die die Redefreiheit bei öffentlichen Äußerungen einschränken. Viel wichtige sind allerdings die Regeln, die sich ein zivilisierter Mensch und Demokrat selbst auferlegt.

Was bedeutet es, zivilisiert zu sein?

Das Wort „zivilisiert“ stammt vom französischen civilisé und geht zurück auf das lateinische civis („Bürger“). Es ist eng mit dem Begriff „Zivilisation“ verbunden, der eine entwickelte, organisierte Gesellschaft beschreibt. In vielen Zusammenhängen ist „kultiviert“ ein passendes Synonym. Der zivilisierte Bürger handelt (und spricht – jede Äußerung oder auch Nicht-Äußerung ist im Umgang miteinander gegebenenfalls auch eine Handlung) gesittet, er nimmt Rücksicht und tritt nicht grob oder aggressiv auf. Auch Höflichkeit gehört dazu: respektvolle Umgangsformen, wie Grüßen, Zuhören und Dankbarkeit. Im Verhalten des zivilisierten Bürgers spiegeln sich (nicht unbedingt akademische) Bildung, Selbstkontrolle und soziale Kompetenz wider. Er respektiert Normen und Gesetze der Gemeinschaft, der er angehört. Es ist also ein Maßstab, mit dem Gesellschaften zwischen akzeptablen und nicht akzeptablen Handlungen unterscheiden.

Der Begriff des „zivilisierten Verhaltens“ eignet sich auch als Kriterium, mit dem Gesellschaften zwischen akzeptablen und nicht akzeptablen Handlungen unterscheiden.

Der Soziologe Norbert Elias beschrieb den „Zivilisationsprozess“ als Entwicklung, bei der äußere Zwänge in Selbstkontrolle überführt wurden. Zivilisiertes Verhalten gilt damit auch als Ergebnis von Selbstdisziplin und sozialer Interdependenz, also der wechselseitigen Abhängigkeit zwischen Individuen oder Gruppen, die in sozialen Interaktionen und Beziehungen stehen.

Was bedeutet es, redlich zu sein?

Ein sehr altes Wort, das heute fast vergessen scheint, ist „Redlichkeit“. Ich möchte glauben, dass ich redlich (oder danach strebe) bin und hoffe, dass auch meine Mitmenschen sich zumindest Mühe geben, diesem Anspruch zu genügen. Wikipedia definiert: „Als Redlichkeit bezeichnet man die Tugend und Charaktereigenschaft einer Person, entsprechend den Regeln einer Gemeinschaft gerecht, aufrichtig oder loyal zu sein. Der Kern der Redlichkeit ist die Übereinstimmung der Rede einer Person mit dem, was diese Person tut.“

Das ist ein hoher Anspruch, dem nicht jeder gerecht werden kann oder will. Um einmal mehr den Volksmund (eigentlich wird der Ausspruch Laozi zugeschrieben, einem Philosophen des antiken China) zu bemühen: „Jeder Weg beginnt mit einem ersten Schritt.” In meinem Sinne wäre es durchaus legitim anzunehmen, dass Menschen, die sich ehrlichen Herzens auf den Weg zur Redlichkeit zu machen, wunderbare Gesprächspartner sind. Im Gegensatz zu denen, die eine Diskussion nur führen, um ihr Ansehen zu steigern, ihren Einfluss auf einen anderen oder eine Gruppe auszuweiten oder im Geheimen andere Ziele zum Nachteil des Gesprächspartners und zu ihrem Vorteil anstreben.

Und erneut schaue ich dem Volk (beziehungsweise Heinrich Heine, der die Formulierung in seinem Gedicht „Deutschland. Ein Wintermärchen” verwendete) „aufs Maul“: „Wasser predigen und Wein trinken“ geht gar nicht. Der Spruch beschreibt eine Doppelmoral, bei der hohe moralische Ansprüche gestellt, die selbst nicht eingehalten werden. Zurück zu unserer Definition heißt das: Hier stimmen Rede einer Person und ihr Handeln nicht überein.

Im wissenschaftlichen Disput bedeutet Redlichkeit zudem, dass nur das behauptet werden darf, was bewiesen ist und wissenschaftlich nachgewiesen werden kann.

Eng mit dem Konzept der „Redlichkeit“ verbunden sehe ich den Begriff des „guten Glaubens“. „Guten Glaubens“ bedeute im allgemeinen Sprachgebrauch, dass jemand ehrlich und ohne Täuschungsabsicht handelt, im Vertrauen darauf, dass alles korrekt ist. Irrtum nicht ausgeschlossen. Im juristischen Sprachgebrauch bezeichnet dies das berechtigte (weil nicht auf Fahrlässigkeit beruhende) und daher schützenswerte Vertrauen eines Dritten in die nur scheinbare Rechtmäßigkeit eines Lebenssachverhalts.

Der zivilisierte Umgang miteinander sollte selbstverständlich sein. Das erfordert mehr, als sich mit seinen Äußerungen in dem Rahmen zu bewegen, den das Strafrecht absteckt.

Ich bin überzeugt, dass man auch bei unterschiedlichen Meinungen eine Debatte in einem zivilisierten Ton führen kann. Voraussetzung dafür ist, dass sich die Gesprächspartner gegenseitig zuhören und bemühen, die Sichtweise des anderen wirklich zu verstehen. Oft sind dazu Nachfragen und die Klärung von Begriffen notwendig, denn Sprache ist ein unscharfes Werkzeug. Es kommt leicht zu Missverständnissen, wenn Begriffe unterschiedlich interpretiert werden.

Deshalb ist es wichtig, sich bei Diskussionen, die über alltägliche Gespräche hinausgehen, auf eine gemeinsame Begriffsdefinition – zumindest bei den Schlüsselbegriffen – zu verständigen. Im Alltag reicht es meist, sich bei Bedarf über Bedeutungen auszutauschen, ohne jedes Wort vorab zu definieren. Hier steht die Praktikabilität im Vordergrund, nicht die theoretische Perfektion.

Außerdem ist zu berücksichtigen, dass in Diskussionen oft unterschiedliche Temperamente aufeinandertreffen, besonders in mündlichen Auseinandersetzungen kann das zu Problemen führen. In den vorangegangenen Absätzen haben wir einen hohen Anspruch an die Gesprächskultur definiert. Wo unterschiedlichen Temperamente aufeinandertreffen, sind gerade bei verbal geführten Diskussionen gelegentlich Missverständnisse im schnellen Schlagabtausch der Argumente programmiert. Das gleich gilt für erhobene Stimmen und unglückliche Formulierungen. Im respektvollen und tolerantem Miteinander sollte sich solche Probleme schnell aus der Welt schaffen lassen. Voraussetzung ist nur, dass sich alle Teilnehmer redlich bemühen…

In diesem Blog gilt das geschriebene Wort, also sollte es leicht fallen, die Regeln einzuhalten und gegebenenfalls auch ohne Mediator auszuräumen.

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