Zur Rolle der Medien

Ist die Presse, sind die Medien immer noch die vierte Gewalt im Staat? Sind sie neben den drei Staatsgewalten Legislative, Judikative und Exekutive immer noch ein wichtiges Regulativ in demokratischen Staaten und Gesellschaften?

 Missstände aufdecken, staatliches Handeln hinterfragen, die dunklen in Staat und Gesellschaft ausleuchten – nehmen Journalisten diese Aufgabe noch wahr, oder geht es nur noch um Auflage, Klicks, Quote oder Reichweite?

Sind die sozialen Medien möglicherweise ein – mindestens – adäquater Ersatz für professionelle (und gewinnorientierte) Medien? Braucht man noch Verlage, wenn jeder im Internet im Prinzip weltweit publizieren kann und die Torwächter längst machtlos sind?

Gibt es so etwas wie eine besondere Verantwortung der Medien? Oder darf alles, was wahr ist, auch publiziert werden, oder sollte es sogar?

Dürfen Medien Meinung machen? Wo ziehen wir die Grenze zwischen vermeidlich neutraler Berichterstattung, zwischen Korrespondentenberichten mit persönlichen Eindrücken und Kommentar? Welchen Einfluss nehmen Medienmacher mit Präsentation, Gewichtung und Platzierung auf das vermittelte mediale Weltbild …

Und das sind nur einige der Fragen, mit denen wir uns beschäftigen wollen.

Massenmedien sind Kommunikationsmittel zur Verbreitung von Inhalten in der Öffentlichkeit, Medien für die Kommunikation mit einer großen Zahl von Menschen. Zu den Massenmedien zählen sowohl die klassischen gedruckten Medien (heute speziell Printmedien genannt, z. B. Zeitungen, Zeitschriften, Plakate, Flugblätter) als auch elektronische Medien (z. B. Rundfunk und Online-Dienste). Die gesellschaftliche Funktion der Massenmedien besteht in der Erfüllung von Informations- und Unterhaltungsbedürfnissen sowie laut Niklas Luhmann im Erzeugen eines sozialen Gedächtnisses, welches darin besteht, „dass man bei jeder Kommunikation bestimmte Realitätsannahmen als bekannt voraussetzen kann, ohne sie eigens in die Kommunikation einführen und begründen zu müssen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Massenmedien

Was ist, wenn die mediale Wirklichkeit, das Bild der Realität, das die (Massen-)Medien entwerfen, nicht mehr mit dem eigenen Empfinden der Wirklichkeit eines größeren Anteils der Bevölkerung übereinstimmt?

Die Ursachen dafür sind vielfältig:

Zum Beispiel, wenn Journalisten in den Redaktionen überwiegend „alte weiße Männer“ sind, deren beschränkter Erfahrungsschatz sich in Berichterstattung und Nachrichtenauswahl widerspiegelt

Oder, wenn Redaktionen einseitig ideologisch vorbelastet sind – gleich welcher Couleur -, bewusst oder unbewusst den Blick nicht nach links oder rechts richten – oder eben nur nach links oder rechts – und deshalb auch nicht sehen können oder wollen, was nicht ins Weltbild passt.

Der wichtigste Grund aber:

Wenn die Jagd nach Auflage, Quote oder Klickzahl das Handeln bestimmt, der Inhalt des Beitrags nicht hält, was der Titel verspricht. Wenn Nachrichten überproportional gewichtet werden, weil sie Quote machen. Schon die „Bild“(-Zeitung) wusste: „Sex sells“. Heute reicht das nicht mehr: Wenn die Konkurrenz online nur einen Mausklick entfernt um Aufmerksamkeit buhlt, wird Angst geschürt, Lust gemacht, ist Geiz wieder geil und wird die Gier befördert: die Corona-Killervariante, der kalte Winter nach dem Gas-Embargo, die Dividenden-Aktie, die Millionäre macht … Egal wie wahrscheinlich das jeweilige Ereignis eintritt, für eine Schlagzeile ist es immer gut.

Dazu kommen handwerkliche Fehler: Unter dem hohen Aktualitätsdruck der Online-Medien wird auf Teufel komm raus „abgeschrieben“. Waren die Entdeckung der vermeintlichen Hitler-Tagebücher, die Konrad Kujau 1983 dem Nachrichtenmagazin „Stern“ unterjubelte, noch eine beachtliche Notiz in den Geschichtsbüchern, ist es heute Alltag, dass Redaktionen Neuigkeiten von eigenen oder Gruppen-Interessen getriebenen Urhebern aufsitzen (oder einfach irren oder Tatsachen falsch bewerten) und andere Medien erst einmal auf den unter (Quoten-)Dampf stehen Zug aufspringen, um dabei zu sein und Klicks und Quoten einzusammeln; wenn schon nicht als erste, so doch so früh wie möglich. Kommt endlich der Zeitpunkt, an dem die seriöseren Medienvertreter dann abspringen und kleinlaut ihren Fehler einräumen oder die Bedeutung der Nachricht relativieren, ist der Schaden häufig schon angerichtet. Zumal der „Widerruf“ meist nicht so laut schallt, wie der Knall am Anfang der Story.

Für die übelsten Falschnachrichten haben wir, die Vertreter der schönen neuen Medienwelt, sogar eigens ein Wort erfunden: Fake-News. Oder war es vielleicht doch der US-Präsident namens Trump? Zumindest soll es sich dieses Instruments wohl gelegentlich(?) bedient hat.

Soll wohl … eine geeignete Formulierung, um wilde Spekulationen zu befeuern. Außerdem gibt es auch noch Zitate, im günstigsten Fall zwar korrekt wiedergegeben, aber geschickt und manchmal auch böswillig in einen die eigene Argumentation stützenden Zusammenhang gestellt.

Und, nicht minder perfide, das Fragezeichen als Rechtfertigung, Fake-News in die Welt zu setzen und dann, vielleicht, in Zeile x im Text wieder einzuholen: „Charles und Camilla: Denken Sie an Trennung?“, „Plant Putin den Atomkrieg?“, „Stürzen jetzt die Immobilienpreise ins Bodenlose?“.

Das alles ist schuldhaftes oder leichtfertiges Tun von Medienschaffenden, aber es gibt noch andere Ursachen.

Behörden, Institutionen, Firmen und Parteien produzieren viel mehr Nachrichten als früher; eine E-Mail ist schnell verschickt, ein Post bei Facebook, Twitter oder Instagram mit leichter Hand rausgehauen … die Verteiler werden immer größer. Selbst Polizei und Feuerwehr, sogar Stadtverwaltungen etc. produzieren Nachrichten und verbreiten sie auch. Reichweiten orientierte „journalistische“ (auch mit Anführungszeichen distanzieren sich manche Redaktion mit zweifelhaftem Erfolg von Inhalten) Website verbreiten sie weiter und geben gelegentlich mit reißerischen Titelzeilen und wenig sinnhaften Symbolfotos Gewicht. So klaffen Kriminalstatistik und gefühlte Bedrohungslage bald auseinander; verstärkt von Interessengruppen, die diese „Bedrohung“ (da sind sie wieder, die Tüdelchen) instrumentalisieren: Die Gewerkschaft der Polizei will mehr Personal, um die von Überstunden gebeutelten Beamten zu entlasten, der AfD-Fanclub sucht Gruppen auszumachen, die für die Bedrohung verantwortlich zu machen sind

Und schließlich noch die Vielzahl der Kanäle, die uns 24 Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche mit Nachrichten berieseln. Sie führen fast zwangsläufig dazu, dass eine Zahl x von Ereignisse eine Zahl x hoch y an Nachrichten produziert, die nicht immer auf den ersten oder zweiten Blick auf ein und dasselbe Ereignis zurückverfolgen sind.

Das mag alles niederschwelliger sein, als echte „Fake-News“, trägt aber beim flüchtigen Leser – und zu dieser Gruppe gehören sehr viele Menschen – dazu bei, dass mediale Wirklichkeit und das echte Leben nicht mehr deckungsgleich sind.

Das hilft denen, die eine Fake-Realität zu nutzen wissen, verunsichert die, die das traurige Spiel nicht durchschauen, treibt sie gar in die Arme der ersten Gruppe und lässt die Menschen erschaudern, die hinter die Kulissen blicken, angesichts einer Medienbranche, die sich von Profitgier korrumpieren, willig vor manchen Wagen spannen lässt und manchmal auch „nur“ erschreckend unprofessionell oder / und überfordert agiert.

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