Kontrolle der sozialen Medien

Eine Whistleblowerin hat schwere Vorwürfe gegen Facebook erhoben und zahlreiche Politiker fordern reflexhaft Regulierungen.

Die Kritik an sozialen Netzwerken, die sich mit der Selbstdarstellung der Nutzerinnen und Nutzer befassen, ist groß, da sie den Vorwürfen nach insbesondere Kinder und Jugendliche unzureichend vor den Gefahren schützten – unter anderem Cybermobbing oder psychische Probleme. Nach einer Welle von Kritik hat Facebook die Entwicklung einer Instagram-Variante für Kinder gestoppt.

Die in Rede stehenden Regulierungen aber dienen nicht allein dem Jugendschutz, sondern wollen einmal mehr den mündigen Bürger „erziehen“.

Es ist unglaublich, wie schlecht Politiker von ihrem Wahlvolk denken … einerseits trauen sie es uns zu, die „richtige“ Regierung zu wählen, anderseits trauen sie uns nicht den bewussten Umgang mit sozialen Netzwerken wie Facebook und Instagram zu. Was ist anspruchsvoller?

Facebook ist eines gewiss nicht: lebensnotwendig. Wenn das Netzwerk morgen ausfällt und Millionen, nein Milliarde plötzlich wieder den Blick vom Display erheben und mit trüben Augen in die Realität starren, dann – passiert erst einmal nichts, gar nichts, jedenfalls nichts Schlimmes. Natürlich ist es für Werbetreibende und Meinungsmacher ein herber Schlag, für den Otto-Normalnutzer aber eine gute Gelegenheit, mal wieder beim Nachbarn zu klingen und sich auf ein Schwätzchen zu treffen.

Natürlich müssen wir junge Menschen bildlich an die Hand nehmen, wie wir es auch im Straßenverkehr tun sollten, und solchen, die sich nicht selbst zu helfen wissen, diese Hilfe aufdrängen. Informieren, beraten – aber nicht regulieren und verbieten. Ich glaube an den freien Willen, der seinen Grenzen erst dort findet, wo Mitkreaturen oder Umwelt unter seiner Ausübung leiden …

Nicht dass wir uns falsch verstehen: Ich bin zwar der sprichwörtliche alte Knacker, aber auch ein Facebooker der ersten Stunde und tummele mich auch gern bei Instagram und Pinterest. Twitter (heute X) ist ein wenig mehr Arbeit als Freizeitspaß, vom Handy schubse ich die App aber auch nicht (obwohl mir nach Elon Musks Eskapaden danach ist).

Trotzdem: Ich brauche es nicht für meine (Privat-)Leben. Und weil ich zu den Menschen gehöre, die existenzielle Risiken absichern, aber keine Versicherung für ihren Fernseher haben, muss mich der Staat nicht davor beschützen, dass ich meine wertvolle Freizeit falsch investiere.

Wenn ich Söder, Merz und Merkel so in Aktion erlebe, würde ich ohnehin nicht darauf kommen, einen von denen, um Rat zu fragen, nach welcher Netiquette Facebook tickt. Und der Staatsapparat mit seiner gestörten Beziehung zur Digitalisierung, in dessen Amtsstuben immer noch den Aktenlocher den Takt vorgibt, ist weder meine erste noch zweite Wahl.

Also lieber den gesunden Menschenverstand, gehärtet durch wissenschaftliche Fakten, zum Einsatz bringen.

Dazu meine unerwünschten Ratschläge für überforderte Eltern:
Kinder im Vorschulalter kommen noch einigermaßen gut ohne Internet und soziale Netzwerke aus.
Frühestens mit Schulkindern sollten Eltern die ersten Schritte im Netz gemeinsam gehen. Unvermeidlich ist es dabei, die eine oder andere Tatort-Folge sausen zu lassen und sich mit der Materie auseinanderzusetzen. Welche Gefahren lauern im Internet, wo gibt es geschützte Räume für den Nachwuchs? Die Ressourcen sind da (im Netz natürlich): Klicksafe, Seitenstark, Fragfinn sind nur Beispiele.
Ein Medienbudget muss her: Kinder sollten Ihre Zeit aufteilen können zwischen Fernsehen, Videospielen und (den geschützten Bereichen im) Internet (und was sonst noch alles kommt).

Eltern und Schule sollten darüber hinaus an einem Strang ziehen, wenn es darum geht, Informationsdefizite im Kontext der Nutzung von sozialen Medien und des Internets abzubauen. In den Schulen sind Sozialkompetenz und die Wirkmechanismen von Mobbing und falscher Selbstbestärkung weiterhin nicht als bedeutsames Thema erkannt worden.

Das wichtigste aber: Eltern müssen Kinder zu selbstbewussten Individuen erziehen, die nicht durch die Netze streifen auf der Suche nach Bestätigung, die ihnen im realen Leben verweigert wird. So bekämpft man Ursachen und keine Symptome.

Kindern oder Jugendliche, denen die Reife fehlt, sollte man den Zugang zu allgemeinen sozialen Medien (die nicht speziell für Kinder gemacht sind) erschweren. Ich kann mir im Namen des Jugendschutzes eher vorstellen, den Zugang zu beschränken als die Inhalte zu reglementieren.

Das ist kein Plädoyer dafür, den sozialen Medien die Zügel schießen zu lassen. Es gibt Gesetze zum Schutz unserer Jugend, vor Volksverhetzung, Betrug, Beleidigungen, übler Nachrede etc. Diese durchzusetzen ist die Pflicht von Polizei, Staatsanwaltschaft und Jugendschutz. Es ist aber nicht die Aufgabe des Staates und seiner Organe, erwachsene Bürger – wenn auch mit den besten Absichten, so doch womöglich gegen ihren Willen – zu erziehen. Aber es ist die Aufgabe der Erwachsenen, ihre Kinder zu erziehen, ihnen die Werte unserer freien, demokratischen und selbstbestimmten Gesellschaft zu vermitteln, das Miteinander in dieser Gesellschaft zu befördern – und sie nicht nur zu versorgen und zu verwöhnen.

Die Filterblase zum Platzen bringt derweil hoffentlich die Erkenntnis, dass es sie gibt. Diese Einsicht zu befördern, ist ebenso Aufgabe des Staates wie der Medien (insbesondere der einem Bildungsauftrag verpflichteten öffentlich-rechtlichen). Wenn der Staat sich aber anmaßt zu entscheiden, was seine erwachsenen Bürger diskutieren, schreiben und lesen dürfen, ist etwas faul. Also besser informieren und diskutieren, statt zu regulieren.

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